Der Mallorca-Marathon ruft
Eine alte Marathon-Weisheit besagt, dass diese Rennen im Kopf entschieden werden und dass gerade die letzten Kilometer gerade noch „mit dem Kopf“ gelaufen werden. Nach den Erfahrungen beim Mallorca-Marathon 2014 kann ich dies nur unterstreichen. Vielleicht jedoch in anderer Hinsicht, als gedacht.
Seit Donnerstag war ich auf des Deutschen liebster Ferieninsel und das Wetter war traumhaft: wolkenloser, blauer Himmel und Temperaturen bis an die 30 Grad. So kann man es Mitte Oktober durchaus aushalten. Am Samstag haben wir noch die Athleten der Triathlon-Europameisterschaft auf der Halbdistanz (1,9/90/21) in Paguera angefeuert und bemitleidet – am Sonntag sollte es mir dann nicht sehr viel besser gehen.
Hitze ist die größte Herausforderung
Ca. 11.000 Teilnehmer, davon 1.500 auf der Marathonstrecke, lassen die Veranstaltung noch als relativ übersichtlich erscheinen. Start morgens um 9:00 bei ca. 24 Grad und der Veranstaltungssprecher warnt schon davor, dass es am heutigen Tag noch richtig heiß werden soll. Das ist kein Wunder, denn gerade auf der zweiten Hälfte der Strecke – also dann wenn, es auf Mittag zugeht und die Wärme immer größer wird – liegt die komplette Strecke fast ausnahmslos in der prallen Sonne.
Der Startschuss fällt
Nach dem Startschuss geht es erstmal raus, am Hafen entlang, ehe es am Marinestützpunkt gilt, die erste Steigung (von denen noch einige folgen sollten) zu meistern. Mit einer Spitzkehre am Anleger geht es dann wieder retour Richtung des zivilen Hafens. Unterdessen kommen uns dann auch schon die ersten 10-Kilometerläufer entgegen, die 10 Minuten nach uns gestartet sind. Der Halbmarathon startete noch weitere 10 Minuten später. Als wir wieder am Fuße der Kathedrale angelangt sind (nach gut 10 Kilometern) geht es in Richtung Altstadt. hier wechseln sich nun Steigungen und Gefälle ab, und es geht wie beim alten Handyspiel „Snake“ durch die teilweise engen Gassen der mallorquinischen Hauptstadt.
Die ersten 10 Kilometer liefen eigentlich sehr gut – die Kilometer jeweils zwischen 5:30 und 5:40 , also Kurs 4 Stunden. In der Stadt gab es dann endlich auch mal ein paar Zuschauer und Schatten. Bei Kilometer 13 war ein Dixie-Besuch inkl. Wartezeit notwendig, was mich locker 3 Minuten gekostet hat. Aber mein Tempo konnte ich danach wieder gut aufnehmen. Bei Kilometer 20 passierten wir dann die hintere Front der Kathedrale und die Wege von Marathonis und „halben“ trennte sich. Während die einen nach links Richtung El Arenal liefen, nahmen die anderen den letzten Kilometer Richtung Ziel unter die Füße.
Kein Schatten weit und breit – doch die härtesten Prüfungen stehen noch bevor…
Und nun wurde es hart: ich sah meine Reise-Begleitung Nadine zum dritten Male an der Strecke (sie hatte sich ein Fahrrad geliehen, um mich zu unterstützen) und rief ihr zu, dass ich eigentlich schon im Eimer sei… Doch die Härteprüfungen der Strecke sollten nun erst noch kommen. Fast kein Schatten mehr, nur noch weniger Zuschauer und (zumindest auf dem Weg Richtung El Arenal) eine nicht einladende Streckenführung. Bei Kilometer 24 zwang mich eine doch recht langgezogene Steigung zu einer ersten Gehpause. Nadine wartete oben am Hügel mit einer zweiten Ration Energygels auf mich, mit denen ich dann den Rest der Strecke bewältigen wollte.
Entlang von Schnellstrassen geht es in und durch den Ortskern von El Arenal. In den ganzen Strassenrestaurants sitzen überall deutsche Urlauber (es ist 12:00 Uhr und da muß man ja Mittag essen) und schauen sich irritiert und verstört das versprengte Häufchen Irrsinniger an, die sich in der prallen Mittagssonne in bunten Leibchen und mit orangenen Startnummern – alle bewaffnet mit mindestens jeweils einer Wasserflasche in der Hand – an Ihren Tischen vorbeiquälen.
Nach dem Ballerman geht’s weiter…
Kurz vor Kilometer 30 dann die letzte Spitzkehre: Jetzt geht es quasi ab „Ballermann 6“ 12 Kilometer lang direkt an der Playa (entweder auf der Strasse oder auf der Promenade) zurück in Richtung Kathedrale. Die Abstände von ca. 3,5 Kilometern zwischen den einzelnen Verpflegungspunkten erscheinen jetzt fast unmenschlich lang. Gott sei Dank gibt es ja die berühmt-berüchtigten Sangria-Eimer nicht mehr. Ansonsten wäre die Versuchung für einen durstigen Abstecher an den Strand wohl sehr groß…
Großer Vorteil allerdings der Verpflegung hier in Spanien: Da das Leitungswasser als Trinkwasser ungeeignet ist, wird das Wasser in PET-Flaschen ausgegeben. So kann man eine davon schon fast direkt am Stand „exen“ und eine zweite direkt mit auf die Strecke nehmen. Nachteil der Verpflegung jedoch: Die u.a. gereichten Bananen sind nur durchgeschnitten und ungeschält. Braune und schon angematschte Bananen zu schälen ist kein Vergnügen, geschweige denn, sie zu essen.
Die “Kopfzeit” beginnt…
Bei Kilometer 34 treffe ich Nadine wieder, die hier auch schon seit mehr als einer Stunde steht. Es geht jetzt auf Bohlen direkt am Wasser entlang – durch eine Landschaft, die recht karg wirkt. Dazu brennt die Sonne immer mehr und wird (zumindest gefühlt) von Minute zu Minute heisser. Musste ich zwischendurch immer mal wieder kürzere Gehpausen einlegen, so ist es jetzt „Kopfzeit“. In den Laufphasen geht der Puls auf 185 und mehr und selbst in den Gehpausen kommt er nicht mehr unter 140. Aus Vernunftsgründen (zumindest in meinen Augen) entscheide ich mich dazu, das Verhältnis zwischen Laufen und Gehen drastisch umzukehren. Ich möchte kein Risiko eingehen, zumal ich mittlerweile bestimmt zwischen 5 und 7 Litern Wasser getrunken habe und ich nun auch kein stilles Mineralwasser mehr sehen kann, ohne das Gefühl zu haben, dass es mir jeden Moment aus den Ohren kommen könnte…
So bewältige ich dann also die nächsten 6 Kilometer und die Zeit tickt unaufhörlich weiter, doch das ist mir sowas von egal wie selten zuvor. Bei Kilometer 40 bin schon fast wieder an der Kathedrale und etliche Läufer mit Medaillen um den Hals kommen mir entgegen. Auf den letzten 6-8 Kilometern waren es immer wieder wie gleichen Läufer, die meinen Weg begleiteten: entweder überholte ich sie, wenn ich gerade mal wieder lief und sie gingen oder es war genau umgekehrt. So zog man sich gegenseitig durch die Sonne in Richtung Ziel.
So kurz davor fällt es mir dann fast wie Schuppen von den Augen: die Strecke führt nun einmal an der Kathedrale vorbei, noch einmal in Richting Hafen, ehe es dann noch einmal eine Spitzkehre gibt, um dann irgendwann doch endlich in Richtung Ziel laufen zu dürfen. Als ich dort die Zeitmessmatte überquere gibt es eine eine Nettozeit von 4:44:36 – der mit Abstand langsamste Lauf, den ich je hinter mich gebracht habe. Selbst Hawaii war fast eine halbe Stunde schneller. Doch da war ich auch cleverer und habe die Hitze nicht unterschätzt und bin nicht so „schnell“ angegangen, wie hier.
Hauptsache gesund und munter…
Doch das für mich wichtigste: ich komme gesund und munter in’s Ziel und habe mich zum Schluss sogar wieder recht gut erholt. So geht eine wahre Hitzeschlacht (mit Spitzenwerten mit mehr als 30 Grad) zu Ende. Ich bin am Ende recht zwiegespalten: auf der einen Seite eine traumhafte Kulisse und teilweise wirklich schöne Strecke, auf der anderen Seite ein paar recht unansehnliche Passagen und insgesamt sehr wenige Zuschauer. Und gerade auf den letzten Kilomteren gab es öfter mal Berührungspunkte mit „normalen“ Passanten und Radfahrern, weil die Strecke teilweise nicht besonders gut abgesperrt/ gekennzeichnet war.
Aber alles in allem war es eine lohnende Erfahrung, bei der der Kopf über den Körper gesiegt hat und ich trotzdem das Gefühl hatte, zum Schluss alles richtig gemacht zu haben.
Das Gute ist: in 2 Wochen in New York wird es längst nicht so warm – ich bin zufrieden, wenn es trocken bleibt (denn 4 Stunden im nassen und kalten Regen auf den Start zu warten, ist nicht lustig)…
Stephan Lehmann ist ambitionierter Läufer, ist seit Jahren bei vielen großen & kleinen Laufveranstaltungen dabei und schreibt fürs #teammaxxprosion über seine Erfahrungen.